Sonntag, 17. März 2024

Einblicke ins persönliche Lebensbuch

Die Gottesdienst-Matinée mit Gästen und viel Musik lockte eine grosse Zahl Besucherinnen und Besucher in die reformierte Kirche Reinach. Pfarrerin Maja Petrus begrüsste das Reinacher Ehepaar Maya und Masoud Godarzi-Vogt zum Gespräch. Mit passender Musik aus aller Welt, gespielt vom Duo La Jalousie, Sabine und Sven Bachmann-Frey (Akkordeon und Klarinette) wurde der Anlasse konzertant umrahmt.

(psi) Die Themen Migration und Integration sind in der heutigen Gesellschaft allgegenwärtig und bewegen die Menschen. Maya und Masoud Godarzi-Vogt, gewährten den Zuhörenden Einblick in ein paar Seiten ihres persönlichen Lebensbuches. Zwei Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft hatten in ihren jungen Jahren zusammengefunden und ihr gemeinsames Leben in Reinach gestaltet.

Masoud Godarzi beschrieb seinen Aufbruch von Teheran als 1979 in der islamischen Revolution der Schah gestürzt und im Iran die islamische Republik gegründet wurde. Die Versprechungen der Revolutionsführer kehrten sich bald in Repressionen und die Erwartungen der Menschen wurden enttäuscht. Nebst seiner Muttersprache Farsi hatte Masoud Englischkenntnisse, in Italien angekommen musste er sich zurechtfinden und lernte Italienisch. Mit verschiedenen Nebenjobs finanzierte er sich sein Architekturstudium.

Maya Godarzi-Vogt wuchs im kleinen, bäuerlich geprägten Dorf Hottwil auf und trat gleich nach ihrer Ausbildung zur Lehrerin eine Stelle in Reinach an. Fremde hatten in beiden Familien, in jener von Masoud und in jener von Maya, immer schon einen besonderen Platz. Immer wieder waren Landdienst-Helfer aus verschiedenen europäischen Ländern auf dem elterlichen Hof willkommen. Maya reiste gerne in die Welt und kam auch nach Perugia, um Italienisch zu lernen.

Dort kreuzten sich die Wege der beiden. Schliesslich wurden sie ein Paar und gestalteten ihr gemeinsames Leben mit den beiden Kindern in Reinach. Ankommen, akzeptiert zu werden, seinen Platz finden und sich einbringen können, das sind wesentliche Aspekte von Integration.

Oft wird erwartet, dass die Bemühungen zur Integration von den Fremden selbst geleistet werden. Doch Integration ist ein wechselseitiger, sehr anspruchsvoller und differenzierter Prozess, der von allen Bereitschaft und Bewegung voraussetzt. Masoud kam ein zweites Mal in einem Land an, dessen Sprache er nicht kannte, ein zweites Mal begegnete er einer neuen Kultur und Mentalität. Dies erforderte grosse innere Kraft und Zeit. Die eigene Herkunft, Kultur und Sprache gehören zur Persönlichkeit und treten in einen Dialog mit der neuen Heimat.

Maya kennt die Besonderheiten und Schwierigkeiten in Bezug auf Integration aus ihrem Berufsleben. Während vierzig Jahren hat sie an der Primarschule in Reinach unterrichtet und in ihren Schulklassen kamen Kinder aus verschiedenen Kulturen, mit verschiedenen Sprachen zusammen. Gemeinsame Theater-Projekte waren für sie ein guter Schlüssel, den Zugang zu den Kindern zu finden und den Austausch und das Verständnis untereinander zu fördern. Denn z.B. „Glück“ bedeutet für alle Menschen, egal welcher Herkunft, dasselbe: Familie und Freunde, geliebt und akzeptiert sein, materielle Sicherheit und Frieden.

Masoud und Maya sind gemeinsam einen bewussten und bewegten Weg gegangen, der sie auszeichnet als weltoffene, differenzierte, kompetente und emphatische Persönlichkeiten. Erst nach 22 Jahren konnte Masoud erstmals seine Familie im Iran wieder besuchen, die Situation im Land ist auch heute noch geprägt von Unsicherheit und Willkür. Mit innerlich positiver Haltung brachte sich Masoud in der Oberwynentaler Welt ein. Unbeirrt und mit grossem Engagement setzte sich Maya als Lehrerin für ihre Schüler, Schülerinnen und deren Eltern integrativ ein, mit Verständnis aber auch mit Erwartungen.

Heute sind beide Ehepartner pensioniert und freuen sich an ihren neuen Freiheiten. Kürzlich sind die beiden Grosseltern geworden. Masoud hat seine Passion für Arbeiten in einem Seetaler Rebberg entdeckt und Maya engagiert sich beim Café International von Impuls-Zusammenleben.

Maja Petrus ist es als Moderatorin gelungen, im Gespräch die verschiedenen Facetten der vielfältigen Herausforderungen aufzuzeigen.